László Fábián:
"Ein schöpferischer Mensch, der Antal Lux heißt
"

   

„Der Künstler ist der Ursprung des Werkes.
Das Werk ist der Ursprung des Künstlers."
Martin Heidegger

Verallgemeinerungen sind meistens nichtssagend, und doch, im Falle von Antal Lux würde ich die Bezeichnung Künstler benutzen und nicht die spezielleren Varianten, da er Graphiker, Maler, Bildhauer, ja auch Filmemacher, Videofilmer, ist, was vielleicht die Verallgemeinerung etwas verwischt, gleichzeitig aber auch die Vermutung aufkommen lässt, es handele sich um eine vielschichtige Tätigkeit. Bewusst benutze ich den Ausdruck vielschichtig, da – meiner Beurteilung nach – eine gedanklich-geistige Identität diese Tätigkeiten verbindet: Ähnliche Ideen gelangen durch jeweils andere Medien zur Entfaltung. Vielleicht hat eine solch vielschichtige Tätigkeit in dieser überspezialisierten, auseinanderfallenden Welt eine Botschaft, die in Richtung der Einheit, des Ganzen, weist; die versucht darzulegen, dass der Mensch, vor allem der schöpferische Mensch, fähig ist, die Welt noch in Einem zu sehen, obzwar er diese auch nicht sehr dankbare Aufgabe immer seltener übernimmt. Lux jedoch wollte immer die Möglichkeiten der ihm zur Verfügung stehenden Mittel ermessen; schon fast gesetzmäßig wanderte er von den stabilen Gattungen der bildenden Kunst zuerst zum Film, dann in den Videobereich, wo er sich ebenfalls einen internationalen Ruf erwarb.

„Das Gras wies wächst“ Video, 1988/15:30

Zahlreiche Einladungen, Präsentationen, Preise gingen mit dieser Tätigkeit einher. Ja mehr, der schöpferische Befehl führte ihn zum Computer, der zum Arbeitsgerät Nummer 1 seiner jüngsten Graphiken wurde.

„Flugangst“ 1-2 Elektrografie, 1997

Es bietet sich die oberflächliche Einstufung an: moderner Künstler.
In Ermangelung von Argumenten kann – selbstverständlich – gleichwelche Einstufung oberflächlich sein; infolgedessen kann Ziel dieses Beitrags nur sein, die sich aufdrängende Bezichtigung der Überschwenglichkeit abzuwehren, das beweist auch das Attribut modern.

Bei der Bestimmung des tatsächlichen Wertes eines Künstlers dürfte Modernität kaum vorrangig sein. Jedoch wissen wir genau, dass in Osteuropa diese Modernität eine enge, sozusagen unentwirrbare Verbindung zur Wahrheit des Werkes (aletheia - würden die Grieche sagen) hat, dadurch, wie sie nämlich “unverborgen” wird, um diesen griechischen Ausdruck in Heideggerscher Übersetzung zu gebrauchen. Meistens ist sich der osteuropäische Künstler dessen auch bis zu einem gewissen Grad bewusst; die sich hier entfaltenden Modernistenbewegungen sind wohl kaum dem Zufall zuzuschreiben. Aufgabe könnte also auch die Entwirrung der Zusammenhänge dessen sein, denn Antal Lux hat ja hier das Licht der Welt erblickt: Er wurde 1935 in Budapest/Soroksár geboren. In Soroksár und als Angehöriger einer Nationalität, was schon vom Augenblick seiner Geburt an kein zu vernachlässigender Faktor war, weil ja Nazideutschland auf die “Volksdeutschen” jenseits seiner Grenzen bauen wollte; nach zehn Jahren warf sich das jedoch mit ganz anderen Vorzeichen auf: vom Gesichtspunkt der unsinnigen und unnachgiebigen Rache. Die Vertreibung war nur ein Moment dieser Rache; die Verbliebenen mussten vielleicht noch schlimmere Erniedrigungen und Rechtlosigkeiten erleiden. Es genügt, wenn wir nur soviel sagen. Sie wurden zu stigmatisierten Staatsbürgern zweiter Klasse degradiert. Dass er später dann das Land verließ, dazu trugen auf alle Fälle auch diese unwürdigen Diskriminierungen bei, denn das Wort klassenfremd galt ja im Vokabular der Kommunisten als Synonym für Unzuverlässigkeit. Lux konnte schon während seiner Schulzeit die Präsenz des zunehmenden kommunistischen Terrors sehr gut spüren. Wir müssen jedoch sagen, dass er zusammen mit seinen Freunden und Kameraden aber doch mit glücklicher Hand in der Person von István Ilosvai Varga jenen Meister auswählte, der ihm auf die Künstlerlaufbahn verhalf. Weder das brillante malerische Schaffen noch die Respekt gebietende pädagogische Tätigkeit von Ilosvai wurden bisher gebührend gewürdigt und anerkannt; doch alle, die in seiner freien Schule ihre künstlerische Laufbahn begannen, denken bis zum heutigen Tag voll glühender Verehrung an ihren Meister. (Fast immer, wenn Lux – wie er selbst sagt – ein neues Bild anfängt, ruft er sich die Lehren seines Meisters Ilosvai ins Gedächtnis.) Zweifelsohne, sowohl das meisterhaft Anspruchsvolle als auch der spürbar konstruktive Bildaufbau sind auf frühen und späteren Werken auszumachen. Er hat sich die raumschöpferischen Griffe der Landschaftsmalerei angeeignet, den befreiten Gebrauch der Farben, die Kniffe der Ölmalerei. Das Luxsche Landschaftsgemälde “Müllerinsel” aus dem Jahre 1948 zeigt enge Verwandtschaft mit den damaligen Soroksárer Bildern von Bartl. Und diese freie Schule in Csepel hat ihre Freundschaft auch ein wenig “fachlich” gestaltet.
Für Lux stellte auch die Militärzeit eine Extraerprobung dar, schließlich wurde der renitente junge Mann als Zwangsarbeiter eingezogen. Unter solchen Umständen – er wusste genau, an Weiterlernen war vorläufig nicht zu denken – ist überhaupt nicht überraschend, dass er im Herbst 1956 eine Waffe in die Hand nahm und in Fünfkirchen mit zu denen gehörte, der die russischen Eindringlinge aufhalten wollten. Man kann sich leicht ausrechnen, was ihm nach der Niederschlagung der Revolution blühte. Ihm blieb keine Sekunde des Zögerns, er musste flüchten. Diese Flucht hat er zuerst im Film und dann auf Video aufgearbeitet – und zwar nicht so sehr im Ablauf der Geschehnisse als vielmehr im Rhythmus der Expressionen. Mit dieser Flucht hatte er sich ein Leben in Ungarn für lange Zeit verbaut, er musste in seiner Wahlheimat, in der Bundesrepublik Deutschland, einen völlig neuen Lebensweg einschlagen. Genauer gesagt: die Laufbahn, die er sich ja sowieso vorgestellt hatte: nämlich Maler zu werden. In die Zeit zwischen 1960 und ‘65 fällt sein Studium an der Kunstakademie in Stuttgart. Zu allererst musste er einmal feststellen, dass all die stilistischen Schlagbäume, die es in Ungarn überall gab, in dieser Welt nicht vorhanden sind; es Sache des Künstlers ist zu entscheiden, welchen Weg er einschlägt, um sich auszudrücken. Er musste aber auch in Erfahrung bringen, dass in der Kunst der ganzen Welt auch weiterhin bedeutende Bewegungen, moderne Richtungen, also Zeitstile, einander abwechseln oder nebeneinander existieren, da nämlich während seiner Hochschuljahre der abstrakte Expressionismus sowie Pop-art aufblühten. Unter den interessierten Kameraden an der Hochschule war all das bei weitem nicht nur Gesprächsthema, sondern Möglichkeit zum Experimentieren: Lux gerät aus zweierlei Richtungen in deren Bann. Seine Neigung – und das beweist seine spätere Laufbahn – entspricht eher der Expressivität und der Abstraktion, er spürt aber auch das Verführerische der Figurativität des Pop. Hier soll sofort vermerkt werden, dass sein Interesse für Pop vorrangig die Wirkung von Duchamp und des Dada zeigen; diese Affinität wirkt sich praktisch auf seine ganze Laufbahn aus. Ich möchte nur den Unterschied zu seinen in Ungarn gebliebenen Kollegen veranschaulichen, wenn ich bemerke, dass sich diese höchstens dürftige Zeitungsbilder anschauen, in Katalogen schwacher Qualität blättern konnten, um zu irgendwelchen Informationen über die Bewegungen der bildenden Kunst auf der ganzen Welt zu gelangen, und nicht die geringste Chance oder Möglichkeit hatten, sich daran zu beteiligen. Für Lux aber bedeutete vor allem das amerikanische Hochschulstipendium sehr viel, das ihn in die sich nach dem Zweiten Weltkrieg immer markanter zum neuen Zentrum formende Welt trug: in die volle Mitte der aktuellen Tendenzen. Also: ins Direkte des Erlebnisses.

Die noch in ihm wirkenden ungarischen Reflexionen lassen ihn spüren: Alles ist anders: der Geist und auch das Material.
Als junger Künstler kann man sich kaum einen optimalen Start vorstellen. Vor allem auch deshalb, weil er, zurückgekehrt nach Stuttgart, als Dozent berufen wird, was für den damals schon mehrfachen Familienvater auch eine existenzielle Sicherheit bedeutet. Es war noch während seiner Studienzeit, als ihn die internationale Jury des Pariser Salons mit einem Preis belohnte. Neben seinem Dozentenposten übernimmt er Buchillustrationen und ist – selbstverständlich – mit seinen Werken auf zahlreichen Ausstellungen vertreten. Die Buchillustrationen halten eigentlich seine Hingezogenheit zu Pop-art/Dada wach: Sein graphisches Können entspricht den figurativen Anforderungen – und auf seinen “popigen” Bildern begegnen wir ähnlichen Werten. Gleichzeitig konstatieren wir die markante Präsenz der Farbe als Fleck, also einem Element, das als Spur der expressiven Geste auf dem Bild Akzente setzt.

Wolkenschieber, 1974 Öl/Leinwand 70x80 cm

Als dann Lux Anfang der 70er Jahre nach Berlin umzieht, orientiert er sich eher schon in Richtung freier, von den Bildern der Sachwelt unabhängiger Bildformung, baut aber auch immer engere Kontakte zu den Künstlern der neuen Sensibilität aus, die da bereits in europäischer Hegemonie denken, was dann auch die Zeitgeist-Ausstellung beweist. Trotz aller Beziehungen hat Lux nicht viel Gemeinsames mit den Zeitgeist-Malern, die Orientierung seiner Bilder geht – um es etwas summarisch zu formulieren – in Richtung Informel und irgendwo dahin, was man in Amerika als abstrakten Expressionismus kennenlernen konnte. In seinem Falle muß man unbedingt über solche Kompositionen sprechen, die – auch wenn aufs Minimalste reduziert (solche sind seine “Säcke” vom Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre) – irgendeinen festen Kern (hard core) haben, was mal nur eine kraftvolle Linie, eine überdimensionierte geometrische Form, ein aus seiner Funktion herausgehobenes Zeichen (bei den Säcken vielleicht nur eine rote Naht) ist; diese Elemente sind gleichzeitig Organisatoren des Bildes.

In seinen jüngsten Arbeiten, seinen “Elektrografien”, ist ein Hinweis auf vernachlässigte Figurativität zu spüren (Hyppo, 2000).
Meiner Auffassung nach ist Informel eine hermeneutische Metapher; noch dazu in gewissem Sinne die allgemeine Metapher der bildenden Kunst. Zur Formulierung dessen veranlasste mich in großem Maße gerade die Kunst von Antal Lux, bei dem die Interpretierung des Formen-Zeichens in den meisten Fällen zum Thema des Bildes wird, allerdings – selbstverständlich – ausschließlich im künstlerischen, sozusagen kompositorischen Sinne. Denn der Fakt, wie eine indeterminierte, also in keinem anderen Zusammenhang gedeutete, oder eine determinierte, also auch Bedeutungen außerhalb der bildenden Kunst tragende Form, zum hierarchisierenden Element der Komposition werden kann oder nur einfach zu einem attributlosen Element, das sofort eine Situation, eventuell eine neue Situation, klar macht, bringt in die Nähe der neuen Deutung. Heideggerisch ausgedrückt: Es erschließt sich in seiner nicht verborgenen Wahrhaftigkeit, öffnet sich. Hier muß unbedingt auf die Rolle der Farbe verwiesen werden, bei weitem nicht nur deshalb, da eine Form ohne Farbe (und umgekehrt) nicht existieren kann, höchstens in unserem Geist, doch deswegen genauso, indem die Farbe selbst schwere oder weniger schwere metapherische Inhalte birgt, die eben in der Informel großen Nachdruck erhalten können.

Bei Lux muss vor allem auf zwei Farben aufmerksam gemacht werden: auf die rote und die schwarze (obwohl das bei letzterer auch als Fehlen der Farbe aufgefasst werden kann). Wir haben es ja alle schon in Erfahrung gebracht, rot macht früher als alle anderen Farben auf sich aufmerksam. Lux aber vertraut seine Botschaft nicht selten noch nicht mal diesem gut funktionierenden Mechanismus an, sondern lenkt mit Titelgebung unser Augenmerk noch direkter auf die Bedeutung der Farbe: Rotes Objekt (1978), Rot im Raum (1992), Rote Akzente (Serie, 1993), Es brennt (2000), Wolken im Rot ((2000), Roter Hintergrund (2000) usw. Selbstverständlich erscheint die Farbe rot in verschiedenen Formen auf den Bildern. Der Titel “Es brennt” ist ja schon die Benennung der Farbe, das Binden an eine Erscheinung; wir sind uns über die Natur des Brandes im Klaren. Das bezieht sich gewissermaßen auch auf “Wolken im Rot”, das unsere Phantasie in windige Dämmerungen treibt, wenngleich das Bild von der Struktur und Form her diese Assoziationen eventuell nicht bestärkt. “Rotes Objekt” ist das, was es ist: ein siebzig Zentimeter hoher, aus bemaltem Aluminium herausragender Zylinder, die Farbe erhält hier eine industrielle Rolle. Die hermeneutische Geste zeigt sich am ehesten am Bild ”Rot im Raum”. Hier könnte der Betrachter mit Recht die etwas pikierte Frage stellen: welches Rot denn, da auf dem Bild mehrere figurieren, noch dazu abweichende Kontexte suggerierend. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich darum, dass das Rot im Titel in diesem Fall auf sämtliches Rot im Raum auf dem Bild verweist, selbstverständlich im virtuellen Raum, da ja auf der Leinwand, wo wir ausschließlich von einem illusionistischen Raum reden können. Von seiner kompositorischen Situation her erhält ein roter rechter Winkel (halb T, halb Kreuz) Betonung: in der optischen Mitte des Bildes. Etwas weiter unten sind in geometrischer Lage die X-e der Diagonale zu sehen, die auf manchen Lux-Werken im allgemeinen auch als Löschzeichen zu fungieren pflegen – noch dazu in rot. Es wäre schwer zu bestimmen, inwieweit die Verwendung des Roten Verbot, inwieweit Blut (und das damit verbundene Leben), inwieweit Feuer (abgesehen von der Konkretisierung auf “Es brennt”) bedeutet.

„Maos Bibel“ Video, 1989/8:20

Ja mehr! In Kenntnis des ungarischen Vorlebens von Lux und freilich aus seinen “Fahnen” könnte auch die Schlussfolgerung gezogen werden, das Rot würde auf die Bedrohung durch den Kommunismus hinweisen, was ja markantes Thema (z. B. Maos Bibel) einiger seiner Videos ist, ja mehr, auf die rote Nazi-Parallelität. Demgegenüber ist das Rot in seiner Serie “Rote Akzente” ein augenfälliger geometrischer Hinweis, eine solche abstrakte Formgebungsmöglichkeit anzeigend, die unseren Maler ebenfalls oft beschäftigt, aber auch in seinen Plastiken bedeutenden Raum einnimmt. Weil ihn an Informel auch die Formel interessiert, wissend: die Dialektik beider ergibt ihre Daseinsberechtigung oder einfach ihre Existenz. In diesem Moment wendet sich die Interpretation in der Tat dem Ursprung des Werkes zu, die Frage aufwerfend: aus was erdenkt es sich ihr Schöpfer.
Interessant, aber keineswegs verblüffend, dass Umberto Eco die Informel als offenes Werk behandelt: “Die Informel ist grundsätzlich – im Sinne des ersten Aspekts – mit einer der allgemeinen Charakteristika jeden offenen Werkes verbunden. Folglich handelt es sich um Werke, die als Metapher der Erkenntnistheorie oder als strukturelle Niederschläge eines verbreiteten Wissensmaterials (keine konkrete Theorie, sondern eine allgemein akzeptierte kulturelle Überzeugung) in Erscheinung treten; in der formgebenden Tätigkeit spiegeln sich also festgelegte Errungenschaften der wissenschaftlichen Methoden der Zeitgenossen wider, auch in der Kunst ‘konfirmieren‘ sie die das Interpretierung der natürlichen Fakten lenkenden Kategorien, den Begriff der Indetermination, der statistischen Verteilung. Dergestalt stellt die Informel – mit ihren speziellen Mitteln – den Begriff der Kausalität in Frage, die Möglichkeit von einspurigen Verbindungen, die bivalente Logik und das ausgeschlossene dritte Prinzip.” (Nyitott mü, Európa, 1998, Seite 202)
Werfen wir also jetzt die Frage so auf, was dieses “verbreitete Wissensmaterial” sein kann, das in Lux‘ zitierten Arbeiten erscheint. Wir haben bereits festgestellt, dass es einerseits all das in Symbole gefasste Wissen ist, das – sagen wir – die rote Farbe oder die geometrische oder sonstige Form trägt/tragen kann. Also die rote Farbe an sich setzt beim Betrachter schon ein spezielles Assoziationssystem in Gang, und wir sind wohl nicht weit von der Wahrheit entfernt, wenn wir sagen, rot ist in unserer Kultur im allgemeinen die Metapher der Verbote; auch dann, wenn es eventuell auf Blut hinweist, denn es bedeutet ja gleichzeitig auch Verbot des Blutvergießens. (In der Urtradition bezog sich diese Metapher eindeutig auf das Leben, heute jedoch hat sich diese Verknüpfung gelockert, wurde zurückgedrängt). Die Verbote müssen auch deshalb an erster Stelle genannt werden, da sie im alltäglichen Gebrauch (Anzeigetafeln, Ampeln usw.) eine solche Funktion erhalten. Wenn wir das nun der ersten, der ungarischen, Phase des Lebens von Antal Lux gegenüberstellen, können wir den Fakt nicht unerwähnt lassen, dass er in der Tat in einer Gesellschaft aufwuchs, in der die ständige und unumgängliche Präsenz der Verbote (die Beschränkung der Freiheit) und des Terrors in den Bürger gedrillt wurde – auch jedesmal den Grund zum Eingriff ins persönliche Leben findend. Nehmen wir noch das Andreas-Kreuz dazu, die Form des Löschzeichens, das in seinen Arbeiten immer wieder vorkommt, ebenfalls rot (z.B. Rókavölgyer Installation, 1997, Kessel-Picknick, eine der Hauptattraktionen war – und unsere Ahnung wird sofort markanter. Doch auch bei seiner Aktion 1995 in New York und 1996 in Arizona sahen wir die an einer senkrechten Wand Hochlaufenden rot/blutigen Fußspuren, die sich ebenfalls in diesen Gedankenkreis einfügen.

Aktion in New York, 1995

Eloy/Arizona, Aktion 1996

Eine gleiche Interpretierung des Gemäldes “Roter Hintergrund” wiederum würde zu weit führen, die man eventuell sogar als Zurückstellung, umrahmung der Informel betrachten könnte – in etwa im Zeichen der Regulierung.

Verbot und Regelung.
Das Rot des Verbots sowie das Kokettieren der Regelung mit der Geometrie. Enthalten genauso in Die “schönen” 50er, in Hyppo, auch im 1997er “Tal”, in den “Roten Akzenten” von 1993 oder in “Monitorfahnen” aus der Zeit um 1990.

„Hyppo“ Elektrografie, 2000

„Stahlparade“ Elektrografie, 2000

Und ich könnte weiter aufzählen. In diesem Sinne müssen wir von einem “Sich-Ausschreiben” sprechen: Man kann sagen, aus der Tiefe der Seele stößt immer und immer wieder eine Reihe unterdrückter Erlebnisse hoch. Wenn also Eco von “verbreitetem Wissensmaterial” spricht, unterstützen wir seine Gedanken mit der Berufung auf Psychologie. An diesem Punkt schadet es nicht, nachdrücklich zu betonen, dass das fast manische Befassen mit der Fahnen-Problematik nach 1990 in den gleichen Bedeutungskreis einbezogen werden kann, und sich im bildlichen Metaphersystem, ja der malerischen Formensprache von Lux einen hervorgehobenen Platz abverlangt. Die unendlich primitiven, aber gleichzeitig wirkungsvollen Schwülste der kommunistischen Tyrannei stecken in der Tiefe der unterschiedlichsten “Sich-Ausschreibungen” und brechen hoch, erscheinen visuell in trivialen Fragmenten von Märschen oder Ansprachen.
Und trotzdem ist die Kunst von Antal Lux keine politische Kunst; einer direkten politischen Absicht kann er kaum bezichtigt werden. Dass aber seine Ruhelosigkeit trotzdem seinen politischen “Erlebnissen” entspringt ist unbestreitbar. Und ebenso kann auch Heideggers Wahrheit “Der Künstler ist der Ursprung des Werkes” nicht in Zweifel gezogen werden. Aber Heidegger fährt ja fort: “Und das Werk ist des Künstlers Ursprung.” Es ist also einzusehen, daß Lux in seinen Werken das innere Wesen seines Ichs darlegt, durch diese Werke wurde er zu ihrem Künstler. Nicht aber zu ihrem Politiker, was auch wieder nur eine authentische Antwort auf die Erlebnisse seiner frühen Jugend hätte sein können. Im Kunstwerk jedoch erschließt er die Wahrheit in ihrer komplexen Wirklichkeit, bei weitem nicht nur mit ästhetischem Aspekt.
In einer seiner Schriften (Das Lesen von Gebäuden und Bildern in: Die Aktualität des Schönen) betrachtet Gadamer das Problem hermeneutisch: “Welche Fragen werden im Kunstwerk aufgeworfen, und welche Antworten löst man mit dem Verstehen dessen aus, und zwar dergestalt, dass wir am Ende das Kunstwerk selbst als Antwort auf solche Fragen verstehen.” Nun, vom konkreten Kunstwerk ist die Rede. Doch meinten wir, dass aus den Antworten Lux’ (also: aus mehreren Werken) ein und dieselbe Frage herausschälbar ist, die – etwas vereinfacht – dem Freiheitsgrad des Individuums nachspürt. Es war wichtig, diese Einengung vorzunehmen, da es sich um Informel-Bilder handelt, die den Fragen nicht mittels Darstellung aufwerfen und diese auch nicht so beantworten. Von Abbildungen können wir in diesem Fall nur metaphorisch sprechen (die Bilder der Seele), doch steht auch außer Zweifel, dass – im Sinne von Obigem – auch das Informel-Bild eine Antwort ist. Die Gültigkeit der Antwort können wir aber nicht zur Frage der Ähnlichkeit (Entsprechung) vereinfachen. Doch wie man sah, konnten wir entklauseln, was uns das Bild “sagt”, und wir uns nicht die Zähne am “Woher der Aussage” ausbissen. Schließen wir die mit Gadamer begonnene Gedankenreihe auch mit ihm: “Die Kommunikation... bedeutet das Teilhaben an einer solchen gemeinsamen Welt, in der wir einander verstehen. Das, was wir als Werk bezeichnen, kann offensichtlich nicht vom Strom des gemeinsamen Teilhabens losgetrennt werden, im Zuge dessen das Werk in unsere Epoche oder in die Nachzeit hinein wirkt.”

Nicht das Werk von Lux ist das einzige, welches in der Reflexion auf frühere Zeiten sich auf die eigene Epoche oder die Nachzeit auswirkt, sondern das kann von der Mehrheit der Kunstwerke behauptet werden, ohne das hinsichtlich ihrer Zeitfolge tiefer zu untersuchen. Verbleiben wir dahingehend, daß die Zeitlichkeit dieser Werke – zum Teil – Symbole trägt; wir weisen darauf hin: die rote Farbe und das Symbolhafte der Geometrie, denn in dieser Kontraktion, welche Heidegger im Zusammenhang mit der Dinglichkeit des Werkes erwähnt, sind solche Zeithinweise unvermeidlich zusammengezogen. (Zusammenziehung griechisch: symballein.) Ich denke, diese Zeithinweise sind – gerade wegen ihrer symbolischen Vergegenwärtigung – imstande, sich auf die Epoche des Werkes und die Nachzeit auszuwirken. Ein Erlebnis heraufbeschwören, um es dann als Wahrheit messen zu lassen. Die Wahrheit der Informel ist nämlich die künstlerische Authentizität der Erlebnisdarstellung. Der Fleck, die Geste, deren Kompositionsstärke. Aufbauend auf der Macht der Farbe. Darin verbirgt sich übrigens auch die perspektivische Bedeutung des Werkes, dass es nämlich “mitredet”. Paul Ricoeur spricht an einer Stelle “von der Linearisierung der Symbole”, irgendwie so etwas könnten wir darunter auf die Informel bezogen verstehen.

Nicht umgangen werden kann auch die Fragestellung, was bedeutet oder was ist die Kunst von Antal Lux in einem weiteren Kontext, sagen wir mal in der Arena der universellen Kunst, wert? Da finden wir den größten Ertrag in seinen Studien in Deutschland, seinem dortigen Leben. Zum Teil darin, worauf ich bereits verwies, dass nämlich das verwobene Gesamte der internationalen Strömungen dort als natürliches Medium wirkte, viel eher jedoch im Ernst des Miteinandermessens, dem er seine anspruchsvolle Meßlatte sofort anpasste. Ich könnte auch einfacher formulieren: Nicht einem kleinen Land, dessen kurzsichtiger Kunstpolitik, sondern der Welt hatte er zu entsprechen, was keine alltägliche Herausforderung war. Kunst ist zwar kein Wettstreit, sie hat aber aktuelle Bezüge, die zu den Bewegungen der Zeit zwingen. In Berlin hatte man ein Augenmerk auf Lux gerichtet. Und zwar jene, die – aufgrund ihrer Berufung – die Kunst, das Schicksal der Künstler tiefgreifend beeinflussen. Hier denke ich bei weitem nicht nur an Kritiker, die Presse. Sondern ich denke an jene Schaffensgemeinschaften, Gruppierungen, die von Zeit zu Zeit Kunstformeln umschreiben, wenngleich meistens mittels der Ephemerität der Mode. Ab Mitte der 60er Jahre ist Berlin für solche Gruppen eine der internationalsten Arenen überhaupt, die sogar amerikanische Künstler anzieht. Alles, was wesentlich ist, spielt sich hier ab. Und Lux ist nicht nur Augenzeuge, sondern auch aktiver Teilnehmer; Malerei, Action, Film, Video, all das zieht ihn an... Er stellt aus, verschickt, bewirbt sich: Er lebt das unglaublich turbulente Leben der Berliner Künstler.
Aber er achtet peinlichst darauf, sich mit seiner eigenen Sache zu beschäftigen. Davon versteht wirklich er am meisten. Unvergleichlich mehr als die populärsten Modefiguren. Auch in der Gestaltung des Schicksals der universellen Kunst sucht Lux sein eigenes Los; das rettet ihn vor Epigonismen, obzwar in solchen Situationen diese ständig um die Kunstschaffenden herumschleichen. Freilich, wo doch bei der Vergabe von Aufträgen die Zeitströmungen auch Einfluss ausüben: Gerade ab diesem Zeitpunkt beginnt Berlin das Straßenbild der modernen Stadt auszugestalten; die bedeutendsten Arbeiten von ausländischen und deutschen bildenden Künstlern gelangen auf öffentliche Plätze, in und an öffentliche Gebäude. Dort bestand übrigens wohl nie eine solch große Differenz zwischen der aktuellen Kunst der Ausstellungsräume und der Verzierung, Gestaltung von öffentlichen Plätzen wie – sagen wir mal – in Ungarn während des Kádár-Regimes, als das staatliche Mäzenatentum den für öffentliche Plätze arbeitenden Bildhauern innerhalb der sozrealen Normen kaum Ausschweifungen erlaubte, während die Galerien dem Publikum bereits eine modernere Kunst präsentierten. Ein Künstler in Berlin, der die eine oder andere internationale Anerkennung erworben hatte, konnte seiner Präsenz auch außerhalb der Ausstellungsräume verhältnismäßig bald Beständigkeit verschaffen. Und eine Reihe von Stipendien verhalfen ihm zu frischerem Denken, zum Anschluß an internationale Bewegungen.
Auch wenn Lux nicht verwöhnt wurde von Senat, - dessen Aufträgen und - Käufen die Öffentlichkeit verfolgte seine Tätigkeit als bildender Künstler, als Filmer und Videomacher mit Aufmerksamkeit, Stipendien von Rang bekam er auch. Seine mal lockeren, mal engeren Verbindungen zu gewissen Gruppierungen wiederum weiteten sein Ausstellungsspektrum. Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre fährt er immer öfter nach Ungarn, außerdem können auch immer mehr ungarische Künstler das damalige West-Berlin aufsuchen – die Starrheit der politischen Doktrin bezwingend. Die Zeitgeist-Generation fördert die Mobilität in beide Richtungen: Die neuen Maler erscheinen bald auf ungarischen Foren (der Autor dieser Zeilen organisiert zusammen mit dem West-Berliner Volker Diehl für eine dortige Gruppe eine Ausstellung im Budapester Fészek-Klub, die Idee stammt von Lux), und von hier gelangen auch immer mehr Künstler in den Bannkreis der damals in gewissem Sinne noch verbotenen Stadt, bewerben sich um z. B. DAAD-Stipendien. In Berlin reicht Lux den hier eintreffenden Ungarn viel Hilfe: sowohl bei deren Orientierung, beim Ausbau ihrer Kontakte, währenddessen erhält aber auch er Informationen über die Verhältnisse, die Möglichkeiten in Ungarn. Ich glaube, ich verlagere nicht die Gewichte, wenn ich sage: Die Videokunst Ungarns (ich denke natürlich an Kunstvideos) erhielt von Lux wichtige Impulse, verständlich also, wenn er auf hiesigen Foren akzentuiert präsent sein konnte. Außerdem drängen in dieser Periode (ab Anfang der 80er Jahre) seine bildkünstlerischen Ambitionen sein Videoschaffen etwas in den Hindergrund, um dann in den Monitorfahnen die Möglichkeit zum organischen Verbinden der beiden zu finden. Ja mehr, es ist das Video, durch das er sich stufenweise dem Computer hinwendet; in den 90er Jahren dringt dieses neue Medium in den Fokus seines Interesses vor.

Im Fahrstuhl zum Prometheus, 1986/24:30 (Video)
Identität, 1991/8:40 (Video)

Diese lebhafte Medium-Suche in der Tätigkeit von Antal Lux ist augenfällig, die ich in seinem 1997er Katalog “als Furcht vor dem Akademismus” bezeichnete; präziser gesagt, als das Streben danach, sowohl die stilistische als auch die semantische Erstarrung zu vermeiden. Aus oben Gesagtem geht aber auch hervor, dass sich in der Tiefe seiner Gedanken immer einige beständige Erlebnisse bewegen, deren Neuaufarbeitung ein praktisch ständiger Zwang ist, als wolle er diese unter den unterschiedlichsten Aspekten in Augenschein nehmen. Ich möchte hinzufügen, die sich immer neuer entwickelnden Medien bereichern in der Tat den Idealismus der Aufarbeitung, deren visuelle Bedeutungen, und nuancieren auch den Symbolgehalt der Erlebnisse. Wenn wir uns jetzt wieder über Heidegger der Kunst nähern, können wir nur bekräftigen, dass deren wesentliches: “Das Infunktiontreten der existierenden Wahrheit” ist, und nicht irgendwelches Schönheitsideal. Die “existente Wahrheit” bei Lux verbirgt sich gerade in seinen erwähnten tiefen seelischen Schichten, von dort gelangen sie zur Entdeckung – mit Hilfe seiner abwechslungsreichen Mittel.

Installation in Budapest, 1997

Beim Kessel-Picknick in Budapest 1997 war Lux mit seiner Bildschirm-Installation dabei. In der natürlichen Umgebung der stillgelegten Grube des Fuchstals (Rókavölgy) sind nicht mehr funktionstüchtige Monitore aufgereiht, der Bildschirm aller mit einem breiten roten Löschzeichen durchgestrichen.
Als Geste eines Künstlers, der mit einem bedeutenden Teil seiner Kunst ­ Video – zweifelsohne an den Bildschirm gefesselt ist. Doch er weiß genau, welch große Gefahr diese Unmenge gezielt falscher Informationen und Agitationen für die naturentfremdete moderne Gesellschaft darstellt, die überall auf der Erde aus den Fernsehgeräten strömt. Einerseits suggeriert die Installation die Notwendigkeit der Eliminierung des unkontrollierbar gewordenen visualen Terrors. Andererseits sieht er aber doch nicht im Mittel die vorderste Gefahr, sondern viel eher in der Denkweise der dieses Benutzenden; das rote Durchkreuzen der Bildschirme signalisiert also (auch) den Wunsch lebender Monitore in grundsätzlich anderer Qualität. Kampf für die Wahrheit des Mittels – um es mal so zu sagen. Distinktion zwischen Steinen und Fossilien. Die Steine des Fuchstals sind lebendiger als die vermoderten Fossilien der modernen Kultur.
Ich könnte es auch so sagen: als würde Lux das Fernsehen wegen der Freiheit der Informel zur Rede stellen und diese zur Norm von Video machen, was im wesentlichen ein und derselbe Gedanke ist. Beim Fernsehen weist nämlich die Kraft der Kommerzialisierung in Richtung festgemachter Formen, mangels derer ist keinerlei Kommerzialisierung vorstellbar. Die festgemachte Form jedoch bietet dem Denken, der Kritik, notabene: der Ausgrenzung kritischen Denkens, der Hemmungslosigkeit von Manipulationen Raum. Seine Videos – und das ist keine Metapher – sind ebenfalls sowohl von der Form als auch vom Inhalt her vom Informel-Denken durchdrungen; eigentlich das ist Ideengeber für die Monitorfahnen und sonstige aus dem Bildschirm herausgehobene Gesten. Auch wir können sagen (auf den Spuren von Herbert Read und Eco), den Platz der Schönheit belegt in dieser Kunst “der vitale Wert”; etwas, das sich wirksamer, elastischer den Veränderungen des Lebens anpasst, ja mehr: das selbst – auf irgendeine Weise – Anteil an den Veränderungen hat. Auf dieser Ebene hat auch Gültigkeit, was ich bereits über die politische Botschaft mancher Lux-Videos sagte. Auch schon deshalb, weil in jedem Fall die Manipulation die Zielscheibe ist: mit der geistigen Vernichtung des mediaisierten Menschen bereiten die modernen Gesellschaften nämlich eine Art modernes Sklaventum vor.
Dadurch also, daß er für sein Video Monitorfahnen vom Bildschirm nimmt, schafft er eigentlich Informel-Fahnen, was wir ruhigen Gewissens als Nonsens bezeichnen können, auch schon der Trennung vom Symbol wegen. Denn die “echte” Fahne ist ja Symbol, noch dazu strenge Beständigkeit bezeugendes Symbol. Die Metapher der Informel ist ganz anderer Natur, wie ich bereits andeutete. Eine außergewöhnliche Oszillation zwischen tragisch und ironisch – mit unerwarteten Akzentverschiebungen. Unter vielen anführbaren Beispielen wähle ich jetzt das 1990er Bild “Fahne 4”, das aus sechs “Bildausschnitten besteht”, in jedem einzelnen Ausschnitt die gleiche Zeitungstext-Grundlage, mit auf Schattenleiter an der Wand hochkriechender Figur und das Ganze verwischenden Farbflecken.

„Fahne 6“, Öl / Leinwand 180x160 cm, 1990

Würden wir dieses Videowerk nicht kennen, würden wir vermuten, einer Bildschirmkopie gegenüberzustehen. Die “heilige Losung” der Fahne ist wirklich protestierende Ironie: Sie könnte mit den Media-Mauern zusammenhängen. In mehrfacher Transponierung, das ist auch klar. Die altmachenden-archaisierenden Flecken jedoch bestärken nur die Vision der Mauer – in einem das Ideal des Tachismus heraufbeschwörend. Fakt jedoch ist, dass die Media-Verblödung kein unschuldiges Spiel ist, sondern schon fast ein alarmierendes Zukunftsbild.
Hier, die Pole der Oszillation.
Die “schönen” 50er 2”” wiederum ist keine Fahne, kein Monitorbild, seine Ironie aber ist unmissverständlich – mit direkten politischen Hinweisen. Dergestalt ist auch die Symbolik der roten Farbe eindeutig, der Titel des Bildes einfach maliziös. Auch zehn Jahre nach dem Zusammenbruch der osteuropäischen Diktaturen noch.

Am Anfang dieser Schrift sinnierte ich darüber nach, dass Lux nicht als Akteur einer einzigen Kunstgattung untersucht werden kann/darf. Und noch nicht mal deshalb, weil er ja in mehreren Gattungen brilliert. Deswegen aber unbedingt, weil seine Tätigkeit intermedial ist: Er gleitet von einem Medium ins andere; bei weitem nicht nur Intuitions-Gleichheiten als Last tragend, sondern, durch die neuen Möglichkeiten erfrischt, das Terrain des künstlerischen Denkens ausweitend, stets der würgenden Umarmung der Klassifizierung entrinnend. Und nicht im Zeichen der idealisierten Freiheit, sondern weil ihn die Forderung, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen, dazu zwingt: in Heideggerschem Sinne die Kunst. Seine “existente Wahrheit” kann nämlich nur so in Funktion treten, wenn das Werk nicht seine Idee verfehlt, nicht der ungreifbaren Schönheit verfällt. Die existente Wahrheit ist auch die Wahrheit des Werkes und des Künstlers, wenn wir über Kunst sprechen. Denn “die Wirklichkeit der Kunst liegt im Kunstwerk” – meint der deutsche Philosoph.

An diesem Punkt könnten wir eine Art Circulus vitiosus ahnen; ein echter Künstler aber bleibt in dem Kreis, da er weiß: ohne ihn steht sein Künstlersein auf dem Spiel. Ich denke, damit ist die radikale Informel von Antal Lux zu erklären, damit seine schöpferische Haltung in den medialen Übergängen.

László Fábián, 2000