Flaggensignale und Monitorfahnen

von Heiko Daxl, 1995

       
 

In den mehr als 40 Jahren seiner künstlerischen Arbeit hat Antal Lux ein weites Territorium abgesteckt, welches viele Facetten zeigt.
So ist es bei einer Betrachtung seiner Monitorfahnen nicht leicht, nur über diesen einen Ansatz zu schreiben, denn man sollte seine anderen Arbeitsgebiete dabei nie aus den Augen verlieren. Sie tragen wesentlich zu einer Annäherung an sein Ouevre bei. Über Drucktechniken, Collagierungen, malerische und graphische Anklänge bis hin zu seinen Filmen und Videos können Quellen bezeichnet und Bezüge hergestellt werden, die alle auf seinen Fahnen geschrieben stehen.

Was sagen uns nun die Flaggensignale?

Probieren wir es zunächst einmal mit ein paar Überlegungen zur Bedeutung des zusammengesetzten Wortes Monitorfahne. Schon hier ergeben sich vielfältige Verweise. So ist ein Monitor zum einen ein Apparat zur Sichtbarmachung von flüchtigen elektronischen Übertragungen, eine Prüfeinrichtung bei Fernsehsendungen, oder ganz einfach gesagt ein Bildschirm zur Abbildung von Videosignalen. Bei oberflächlicher Betrachtung der Arbeit von Antal Lux wäre dies bereits eine hinreichende Erklärung. Doch machen wir uns die Mühe und schauen etwas näher hin. Vom lateinischen Wortstamm („monitor“ oder „monire“) abgeleitet, ergeben sich weitere Hinweise. So steht der Monitor auch für den Beobachter den Warner und Mahner, für denjenigen der uns wiederholt an etwas erinnert, oder auch seltener für den Nomenclator, den Namensnenner, der die Namen der Begegnenden oder Besucher ankündigt; der etwas prophezeit durch (Bedeutung des englischen „Monitoring“) systematisches Abhören und Auswerten von Erscheinungen und Nachrichten zum Zwecke kontinuierlicher Informationsgewinnung. Soweit als Gedankenspiel zu einer möglichen Einkreisung des Begriffes Monitor.

Nun zu den Fahnen. Als Fahne wird im allgemeinen ein Stück Stoff bezeichnet, welches, befestigt an einer Stange oder an einem Seil, benutzt wird als erkennbares Symbol für ein Land oder eine Vereinigung, oder als ein Signal. Mir der Fahne werden Zeichen gegeben, wird signalisiert. Eine Fahne zeigt Merkmale, Kennzeichen oder Parolen und in der Form des Banners steht sie für bestimmte Prinzipien. Deutlich tragen alle die Drucke und Übermalungen auf den Fahnen die Handschrift, das Signum des Künstlers. Sie sind mehr als nur die Summe der Erscheinungen, sondern verweisen auf einen Charakter, sind Signifikanten eines Gesamtwerkes und darüber hinaus Signifikate für eine persönliche Geschichte und einen persönlichen Stil.

Beim „fahnenlesen“ (Fachausdruck aus der Typographie für das Überprüfen von gesetzten, noch nicht umbrochenen Texten) sind im Lux´schen Flaggenalphabet deutliche Signale erkennbar. Durchgängig können wir sowohl in seinen Videos und seiner Malerei immer wieder auf Anzeichen einer gegenseitigen Beeinflussung, Ergänzung und Befruchtung treffen. Die Entwicklung und Transformation eines Gedankens durch die verschiedenen Medien ist evident. So auch zu entdecken in den Monitorfahnen, die den seriellen Charakter von Videosequenzen aufgreifen, aber in die Stabilität eines Nebeneinander überführen.

Gerade auch wenn die Fahnen aus Motiven und Sequenzen aus seinen Videos herrühren, erinnern sie doch in ihrer Erscheinungsform der Abfolge von Bildern auf einem Filmstreifen, dem inzwischen klassischen Medium des bewegten Bildes und dem Startpunkt der Arbeit von Antal Lux mit dem Medium Zeit, als er selbst noch mit Film arbeitete. Ein Material, in welchem, auch wenn es nicht auf eine Leinwand (!) projiziert wird, im Gegensatz zum Medium Video die Folge und die Veränderung der Bilder immer sichtbar bleibt.

Die Anordnung der einzelnen Bildausschnitte, mal vertikal sequentiell als Streifen, mal horizontal nebeneinander oder übereinander als Tableau, evoziert den Gedanken an eine Rekonstruktion von alten Celluloidfragmenten. Die harten Kontraste des Drucks, das Fehlen von Abstufungen und die „Farbstörungen“ durch Übermalung und Mischtechniken erinnern an altes, durch die Zeit penetriertes Fundmaterial. Schemenhaft, manchmal halb erkennbar tauchen Zeichen, Signale auf, die auf mehr hinweisen, als vordergründig erkennbar ist. So sehen wir fast verblichene Spuren und Schemen, die auf die pure Form reduziert sind, gekoppelt mit konkreten anderen Zeichen, wie etwa Stempeln und Abdrucken, die Aufschluß über Zeiten und Orte geben.

Das Wissen um die persönliche Geschichte des Künstlers mag einige Hinweise zur Entschlüsselung geben. Daher als Signalement des Künstlers, eine kurze Personenbeschreibung aus der „Fahnenzeit“, die Lux, wie László Fábián es formulierte, als „die empfänglichste Etappe seines Lebens erlebte, als totalitäre Systeme, selbstherrliche Diktaturen auf dem Himmel seiner Kindheit und Jugendzeit ihre gar nicht so sehr unterschiedlichen Fahnen flattern ließen.“ Aus dieser Welt mit ihren Flaggenparaden und Fahneneiden flüchtete Antal Lux bereits 1956 und vielleicht war so, auch wie er aus seinem Heimatland verschwand, die Fahne in seiner Arbeit verschwunden, die als Motiv vor dem Jahr 1988 keine Rolle für ihn spielte. Dies änderte sich dann mit den Zeiten und Zeichen des sich abzeichnenden einschneidenden politischen Wandels in Osteuropa und auch natürlich in Ungarn.

Dem System des Kommunismus wurde er fahnenflüchtig, doch während dessen alte Fahnen zu Relikten der Geschichte werden, tauchen seine eigenen auf. In ihnen zeigen sich ein ums andere Mal Aspekte seiner eigenen Geschichte und einer künstlerischen Arbeit, die nicht mit fliegenden Fahnen von heute auf morgen ihren Standpunkt wechselt. Er hat sich, seine Sache und seinen Stil auf die Fahnen geschrieben und in der Betrachtung seines umfassenden Werkes wird erkennbar, daß Antal Lux mit seiner Kunst noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angelangt ist.