Dekonstruktiv von Heiko Daxl, 2005

       
 

Wie kommt jetzt Antal Lux mit Daniel Libeskind zusammen. Beide verbindet das dekonstruktive Verfahren.

Die Dekonstruktion als Stilrichtung in der Architektur ist seit Ende der 80er Jahre zum Begriff geworden. In der Kunst von Antal Lux ist sie bestimmender Faktor.

In der Architektur ging (und geht) es gewissermaßen immer um reine Formen; es geht darum, Gebäude im Rückgriff auf einfache geometrische Körper zu konstruieren und ihnen einen wohlgeordneten, stabilen Charakter zu geben. Abweichungen von den Werten der Harmonie, Einheit und Stabilität wurden von der Struktur abgelöst und als Ornament behandelt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts brach die russische Avantgarde mit den klassischen Regeln der Komposition und benutzte reine Formen um schiefe geometrische Kompositionen zu schaffen. Wladimir Tatlin und die Brüder Wesnin versuchten dies auch auf die Architektur zu übertragen. An dieser Stelle setzt dekonstruktive Architektur an. Sie möchte in die Struktur hineingehen und dort die Instabilität aufspüren und sichtbar machen.

"Ein dekonstruktiver Architekt ist deshalb nicht jemand, der Gebäude demontiert, sondern jemand, der den Gebäuden inhärente Probleme lokalisiert. Der dekonstruktive Architekt behandelt die reinen Formen der architektonischen Tradition wie ein Psychiater seine Patienten - er stellt die Symptome einer verdrängten Unreinheit fest. Diese Unreinheit wird durch eine Kombination von sanfter Schmeichelei und gewalttätiger Folter an die Oberfläche geholt: Die Form wird verhört." (so der amerikanische Architekt Mark Wigley 1988)

Auch Lux malträtiert liebevoll sein Material und lässt es durch Zufall und/oder bewussten Eingriff andere Gestalt annehmen.

Dieses Entstellen zur Kenntlichkeit hat bereits 1916 Viktor Sklovskij mit dem Begriff der Verfremdung in seinem Aufsatz "Die Kunst als Verfahren" vorweggenommen. "... Und gerade, um das Empfinden des Lebens wiederherzustellen, um die Dinge zu fühlen, um den Stein steinern zu machen, existiert das, was man Kunst nennt. Ziel der Kunst ist es, ein Empfinden des Gegenstandes zu vermitteln, als Sehen, und nicht als Wiedererkennen; das Verfahren der Kunst ist das Verfahren der "Verfremdung" der Dinge und das Verfahren der erschwerten Form, ein Verfahren, das die Schwierigkeit und Länge der Wahrnehmung steigert, denn der Wahrnehmungsprozess ist in der Kunst Selbstzweck und muss verlängert werden; die Kunst ist ein Mittel, das Machen einer Sache zu erleben...."

Antal Lux nutzt die Verfremdung um seine Sujets zu verwandeln; als Unsicherheit bei der Darstellung oder Formulierung und bei der Festlegung von Bezugspunkten. Denn das Wiedererkennen durch flüchtiges Hinschauen formt oberflächliche und vage Realitäts(ab)bilder im Kopf, die nicht mehr für etwas stehen, sondern die schnelle Einordnung des Wiedererkannten unter bestimmte Kategorien erleichtern und so die Aus-Sicht auf eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Materie verstellen.

"... Ziel des Bildes ist nicht die Annäherung seiner Bedeutung an unser Verstaendnis, sondern die Herstellung einer besonderen Wahrnehmung des Gegenstandes, so dass er "gesehen" wird und nicht "wiedererkannt"..." so wieder Sklovskij

„Wenn das ganze komplizierte Leben bei vielen unbewusst verläuft, dann hat es dieses Leben gleichsam nicht gegeben. Es entstehen verkürzte (verkümmerte), automatisierte Gewohnheitsassoziationen. (Bert Brecht) Kunst dagegen zerstört diese Automatismen. Die Dinge und Sachverhalte werden durch verschiedene Verfahren aus den gewohnten Assoziationen herausgerissen, dekontextualisiert, seltsamgemacht, damit der Prozess der Wahrnehmung verlängert bzw. erschwert und die Dinge nicht bloss wiedererkannt, sondern gefühlt und wie zum ersten mal gesehen werden.

Auch Lux bezieht sich in seinen Arbeiten immer wieder auf die Durchbrechung des „Automatismus der Wahrnehmung“ durch verschiedene Mittel. Wenn das Machen einer Sache selbst und die erschwerte Form, also das Seltsammachen durch verschiedene Mittel in den Mittelpunkt seiner Kunst rücken, dann stellt sich auch die Frage nach den von ihm benutzten Medien, die in den von ihm entdeckten Möglichkeiten seinen Eigensinn mit all seinen Sperrigkeiten aufzeigen.

Nehmen sie in dieser Ausstellung also Teil am Lux´schen Eigensinn.

Heiko Daxl, 14.8.2005